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Rede von Prof. Dr. Günter Zehnder
zur Ausstellung »Farbraum und Farbrhythmus«
»Der erste Eindruck ist oft der einer Signalwirkung. Unsere
Neugier, die wir diesen Farben, diesen Formen, diesen Bildern
entgegenbringen, entspricht der kreativen Neugier, dem kreativen
ständig neuen Versuch, der Künstlerin sich irgendetwas
anzunähern, was im Kopf ist, was vorschwebt, was im Gefühl ist,
Farbe, Formen,
und das Lustgefühl, was uns überkommt, wenn wir solche Bilder
sehen, wir Spaß haben sie zu studieren oder sogar noch größeren
Spaß hätten, sie mitzunehmen,
sie auf ewig bei uns zu haben, dieses Lustgefühl, das entspricht
ein Stück weit auch dem Malakt, den die Künstlerin selbst vorher
durchgeführt hat.
Wir sehen zwei verschiedene Welten, zwar dieselbe Handschrift
auch dieselbe Schöpferin, aber es sind zwei verschiedene
Kunstwelten, behaupte ich. Diese Bilder, »Spiegelungen 1- 4«
von 1995, (siehe Debütantenkatalog, 1999), sind eine ganz
eigenartige, noch nie gesehene, prismatische Bilderwelt. Was
sieht man? Der Begriff Prismen ist gerade schon gefallen.
Das sind die durch die gegenläufigen Diagonalbalken gebildeten
Rauten, die Prismenstruktur bekommen, oder Pastillen. Man sieht
Kreise, man sieht auch Halbkreise, Kreise, die offensichtlich
verschwinden, man sieht vegetabile Formen, Formen, die an
Blätter, Pflanzen, Sprießendes, Aufwallendes erinnern. Man sieht
ganz helle Farben, selbst ein Violett, ein Blau ist noch voller
Leuchten, man sieht Gelb- und Blautöne und generell ein
Leuchten, eigentlich in allen Bildern, die hier im Raume hängen.
Man assoziiert beim Betrachten dieser Bilder ganz spontan, ohne
dass man Wissen angehäuft hat, Freude, man assoziiert Lust,
Harmonie, man denkt an Sommer, Frühling und, das will ich hier
an der Stelle schon einmal sagen, aus meiner Sicht ist es eine
sehr feminine, offene und auch offenherzige Kunst.
Diese Bilder »Punkte 1- 3«, »Punkte 11«, auch aus 1995, zeigen
eigentlich nicht sehr viel, wenn Sie so wollen. Sie zeigen
Kreise, unterschiedlich große und farbige, unterschiedlich viele
oder wenige, sie zeigen Flächen, weiße und blaue oder grüne und
graue, und sie zeigen Streifen. Das ist ein Spiel von ganz
reduzierter Flächigkeit, im Verhältnis zueinander, und von
Farben. Was hier zunächst einmal,das könnte manchem ja
einfallen, wie Tapete aussieht, ist Teil, ist Ausdruck eines
schier unendlichen Systems, das sich dahinter verbirgt. Denn
wenn Sie sich das einmal anschauen, selbst wir könnten jetzt
spielend Hunderte von neuen Möglichkeiten in dieser Systematik
erfinden, und wie viel mehr kann das eine Künstlerin, die das
für sich entwickelt und daraus eine geheimnisvolle Systematik
gemacht hat. Das erschließt sich ja nicht von selbst auf den
ersten Blick, da ist kein System erkennbar, kein numerisches
ablaufendes System ,sondern dahinter steckt eine künstlerische
Willkür, spontane Entscheidungskraft, die immer das Geheimnis
der Künstlerin bleiben muss.
Heute, gerade auch im Rheinland, auch hier in Köln, und dies
beweisen vor allen Dingen die vielen Ausstellungen und die
Messen immer wieder aufs Neue, ist die Art und Weise mit
Mustern, mit Ornamenten, mit Pattern zu malen, das ist aus dem
Amerikanischen und sehr aktuell. Es ist eine sehr
zeitgenössische Formensprache, die nicht mehr abbildet und die
sich nicht mehr in die unverbindliche Abstraktion flüchtet,
sondern die versucht, Muster in eine neue Systematik
einzuschweißen und mit diesen Mustern auch Dinge zu erzählen und
Gefühle auszudrücken. Das konstruktive Element und die
Verbindung von spontanem Malen findet gerade in dieser
Ausdrucksweise zur Zeit eine sehr weltweite zeitgenössische
Ausdrucksform.
Bei den Bildern » Klang 1 - 4«, und » Klang 5«, das ist ein
mehrfarbiges Bild, geht
es darum, gewissermaßen die chromatische Kraft der Farbe
auszuprobieren, im Wechsel zu immer den gleichen
Oberflächenstrukturen. Da hat sie freilich Folien
oder Rundformen als Vorlage benutzt. Da geht es nicht um das
freie Malen, sondern da geht es um die Farbstudie, es geht um
den gleichen Formenschatz, immer den gleichen Formenschatz der
sechs Farbkreise an der Oberfläche. Diese Studien zu Kraft von
Form und Farbe, und das ist das Wichtige, Farbe, ist nicht rein
chromatisch. Das Bild »Klang 5« zieht die Summe dieser
verschiedenen Farben in einer sehr interessanten und auch
schönen Zusammenstellung.
Ich komme zum Schluss. Die Erfahrung der 95er Bilder, der gerade
eben geschilder-
ten, die freie Malerei und die Botschaft, dass man Verwandlungen
durchführen muss in seinem Malprozess, werden zusammengefasst im
letzten Bild, das Signalbild »Spiel«. Wenn Sie sich das Bild
anschauen, dann sprudelt es. Von unten kommen
die Rundformen nach oben, es sind die Diagonalformen da, die uns
aus dem Bild in den Raum hinein führen. Es ist voller
Lebendigkeit, voller ruhiger Statik und trotzdem voller
Bewegung, die von unten in die Vertikale geht und das andere
geht in die Horizontale. Zusammen gesehen ist es ein
ausgewogenes System. Spiel und Ordnung ist da enthalten,
Dynamik, ein Vor und Zurück, die Fläche und der Raum, man kann
in das Bild tief hinein treten, es erinnert uns an den Flug von
Bällen oder den Windtrieb von Seifenblasen, vieles kann man von
diesem Bild träumerisch, von konstruktiven Bildern
träumerisch assoziieren.
Ein letztes Wort zum Stil. Manches habe ich schon als
Assoziation hier genannt. Minimal Art fällt einem ein, Pop Art
natürlich, amerikanische Pop Art vor allen Dingen, aber auch Op
Art. Dann die Abstrakten der Pariser Schule, Herbin etwa, aus
den 50er Jahren, oder auch die Rheinländer wie Breuer, Leo
Breuer aus Bonn, oder Albers,
die sich ganz sicherlich nicht kennen, die aber in ähnliche
Richtung gearbeitet und andere Lösungen gefunden haben,
sich aber im Stilzusammenhang mit Ihrem durchaus berühren, und
den Stil würde ich bezeichnen als konkret konstruktiv.
Ein Stil, der neue Welten schafft, das ist das Konkrete daran
und das Konstruktive
ist eben all das Elementare, was ich versucht habe, Ihnen
deutlich zu machen.
Die Botschaft dieser Bilder ist Phantasie und Experiment,
führen, wenn es eine Künstlerin richtig in die Hand nimmt, zu
einer Systematik, die unendlich wirkt.
Risiko und Erfahrung gehören dazu, und das Ergebnis von all dem
ist ein Gefühl für Kreativität. Die Bilder strömen aus auf uns
und sie fangen uns ein, und die Farbenlust ist absolut
optimistisch und ein Symbol für Lebenslust.«
Textauszüge der Rede von Herrn Prof. Dr. Günter Zehnder
zur Ausstellung »Farbraum und Farbrhythmus« am 2.4.2001 in Köln
Abbildungen zum Text:
S.4: »Spiegelung 2«, 1995, Acryl auf Leinwand, 130 x 100 cm
S.5: »Punkte 1 - 3«, 1995, Acryl auf Leinwand, 3 x 40 x 50 cm
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